Leblose
Stunde
Fragment
Das melancholische
Herz der Nacht
Carpe Noctem
Ein Tag hat vierundzwanzig Stunden. Manche davon schimmern. Gesättigt von reflektierendem Licht. Andere wiederum existieren im Zwielicht. Es sind Schattenstunden. Dunkel, voller Rätsel, unwirklich.
Eine davon ist die verlorenste von allen. Wenn die Welt ruht. Nur wenige Menschen sind noch wach. Kaum jemand weiß um ihren Zauber. Von der Melancholie der Leblosen Stunde. Alles beginnt um zwei Uhr. Wenn die Zeit schweigt, als sei sie tot. Es ist still. Kein Geräusch außer dem beharrlichen Ticken einer Uhr ist zu vernehmen. Straßenlaternen werfen einen spärlichen Schein durch nackte Fenster. Nacht atmet die pure Essenz von Einsamkeit und Schlaflosigkeit – das dunkle Herz samten, klar, ungekünstelt. Nun tritt ihr wahres Wesen in all seiner Düsternis hervor. Ohne jegliche Maskerade. Furchtlos, voller Vertrauen überlasse ich mich ihren sanftmütigen Händen. Sie liebkost mich. Zärtlich. Behutsam. Vorsichtig wie eine Mutter, die ihr neugeborenes Kind an sich schmiegt. Ich fühle ihre Zuneigung und das Entzücken darüber, dass ich mich so bereitwillig an sie hingebe. Die Welt konzentriert sich in einem unergründlichen Schwebezustand zwischen Träumen und Wachen.
Irgendwann gleitet die Leblose Stunde unmerklich in den Schlaf hinüber und schleicht sich auf heimlichen Sohlen in die Schwermut der Nacht davon. Sie hinterlässt keine Spuren, verliert sich in Erinnerungen, die einem frisch erwachten Vogel gleich in die Morgendämmerung aufsteigen.
Doch sie ist nicht vergessen. Wenn sie wiederkehrt, werde ich sie umarmen wie eine vertraute Gefährtin.
Die Nacht funkelt.
Carpe Noctem.