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Kaltes Eck

Autorenbild: Nachtgieger & WUGNachtgieger & WUG

Fabia Mortis: Kaltes Eck, Rosi und der Nachtgieger 2
Kalkablagerungen hängen vom Deckengewölbe der Bastion Krebs auf der Wülzburg

Foto: Fabia Mortis





Trivia

 

Etwa zweieinhalb Kilometer vom Stadtkern Weißenburgs entfernt, erhebt sich auf der Südlichen Frankenalb in etwa 600 Metern Höhe mit der Wülzburg eine imposante Festungsanlage der Hohenzollern - inmitten einer teils bewaldeten Kuppe der Weißenburger Alb bzw. des Wülzburger Berges. Ursprünglich ein Benediktinerkloster, ließ es der Markgraf von Ansbach und Bauherr Georg Friedrich I. (von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach) in den Jahren 1588 bis etwa 1610 in eine pentagonale Festung im neuitalienischen Renaissancestil umwandeln.



Blick auf das Kalte Eck, die nordwestliche Bastion, welche auf Weißenburg hinabsieht

Foto: Fabia Mortis



Der Grundriss besteht aus einem Fünfeck: die Anlage wird von derselben Anzahl Bastionen flankiert. Gegen den Uhrzeigersinn sind dies namentlich Jungfrau, Krebs, Rossmühle, Kaltes Eck und Hauptwache. Als eine Bastion wird der Teil eines Bollwerks bezeichnet, welcher pfeilförmig aus dem Wall hervortritt. Dies hatte bei der Verteidigung strategische Vorteile. Soviel zu den technischen Daten.

 

 

Die Brutstätte des Bösen

 

Die Wülzburg ist Teil meiner Kindheitserinnerungen und untrennbar mit Weißenburg verbunden. Abseits ihrer wechselhaften und historisch sehr spannenden Vergangenheit gäbe es viel über sie zu erzählen – doch würde es den Rahmen dieses Blogs sprengen. In meiner Buchreihe »Rosi und der Nachtgieger« greife ich einige Anekdoten über ihre Geschichte auf. Denn die Wülzburg nimmt darin einen sehr wichtigen Part ein, ist sie doch sozusagen die Brutstätte des Bösen.

 


An einem herbstlichen Tag: Blick auf das dunstbestäubte Weißenburg vom Kalten Eck aus - ein Herzensort

Foto: Fabia Mortis



Als ich für den ersten Band recherchierte, stand es für mich von Anfang außer Frage, wo ich die gruselige Kammer des Nachtgiegers mitsamt seiner Schlafstätte ansiedeln würde. Einer meiner Lieblingsplätze, wenn ich zwischendurch wieder einmal auf Heimatbesuch in Weißenburg bin, ist der Aussichtspunkt am Kalten Eck. Vis-à-vis zu der nordwestlichen Bastion gelegen, die ihren Namen nicht völlig zu Unrecht trägt (der Wind pfeift hier in der Tat während der kalten Monate recht streng ums Eck), befinden sich am Abhang einige Holzruhebänke. Hier sitze ich gerne und genieße den atemberaubenden Anblick hinab ins Tal: Auf meine Stadt, die wie hineingegossen inmitten einer malerischen Wiesen- und Hügellandschaft liegt. An schönen Sommertagen weht ein leichter Dunstschleier, während es wunderbar still und friedlich um einen herum ist. Vielleicht kann man einen Falken rufen hören. Oder einen Spaziergänger mit seinem Hund begegnen und sein freundliches Nicken erwidern.

 

 

Flackerlicht und Fledermäuse

 

Das Innere des Kalten Ecks habe ich im Buch jedoch der Bastion Krebs nachempfunden (die übrigens nach der gleichnamigen Festungskanone benannt ist). Das Gewölbe unter der Bastion ist während der Frühlings- und Sommermonate im Rahmen einer Führung begehbar. Es ist kühl, wie in einem Grab. Dunkel. Von der Decke hängen Kalkablagerungen, die düster im Flackerlicht der mitgebrachten Lampen schimmern. Märchenhafte Stalaktiten der Finsternis. In die Natursteinwände sind Nischenquartiere für die Fledermäuse eingebracht, die hier ihr Winterquartier nehmen. Im Rahmen eines Naturschutzprojektes wurden auf der Wülzburg bereits zwölf verschiedene Arten der Flattermänner mit mehreren hundert Exemplaren gezählt. So fühlen sich auf der Wülzburg mittlerweile u.a. Großes Mausohr, Braunes Langohr und sogar die seltene Mopsfledermaus heimisch. Um die Winterruhe der Tiere zu schützen, findet ab Oktober kein Führungsbetrieb mehr statt.



Blick ins Gewölbe hinein (Bastion Krebs)

Fotos: Fabia Mortis


 

Als ich erstmals in jenem gruftähnlichen und zugleich majestätischen Gewölbe stand, befiel mich plötzlich ein fulminantes Gänsehautgefühl der Extraklasse – eines, wie man es nur ganz selten im Leben erlebt. Und ich wusste, dass nur dies die Behausung des Nachtgiegers sein konnte. Ich bin sicher, der Plagegeist meiner Kindheitsnächte hätte obendrein ein jederzeit dienstbares Gefolge von Fledermäusen mehr als zu schätzen gewusst.

 

Mögen mir die Verantwortlichen für den Tourismus der Stadt Weißenburg die dichterische Freiheit vergeben, sollten sie jemals davon lesen, dass ich die Wülzburg als eine Brutstätte des Bösen bezeichnet habe. Vermutlich träfe sie glatt der Schlag, würden sie erst davon erfahren, dass in unser aller friedlichem Städtchen dem Hörensagen nach gar das Portal zur Hölle verborgen sein soll…

 

 

 Textschnipsel aus Mogetissas Fluch

 

Knapp dreißig Minuten später befand Rosi sich auf der Zielgeraden, kurz vor Weißenburg. Sie passierte gerade den rechter Hand liegenden Wülzburghang samt der imposanten Renaissancefestung, als sie aus dem Nichts heraus ein sonderbares Gänsehautgefühl überfiel. Es war die unbewusste Ahnung einer längst vergessen geglaubten Präsenz. Gefolgt von einer blitzartigen Sequenz düsterer Bilder. Ein monströser geflügelter Schatten, der auf dem Turmdach des Kalten Ecks, an der nordwestlichen Bastion der Wülzburg, schattenfarbene Lederhautschwingen in die Düsternis der Nacht spreizte. Wolken von Fledermäusen, die in den hiesigen Gewölben beheimateten Großen Mausohren, stiegen aus ihren unterirdischen Schächten empor, ihn umkreisend wie in einem Alfred–Hitchcock–Film. Zu guter Letzt die eindringliche Impression eines mädchenhaften Blondschopfs, Rosis kindlichem Ich, das gemeinsam mit dem grässlichen Ungeheuer durch die Lüfte glitt. Mit ihm flog, als wären sie ein ineinander verschmolzenes, aus einem Guss gemachtes Wesen. Sich von ihm mit blutigen Fleischhäppchen eines ehemals warmblütigen Wesens füttern ließ. Vertraut an seine herzlose Brust geschmiegt.

 

 

Eure Fabia Mortis

 


 

Geplanter Veröffentlichungstermin:

»Rosi und der Nachtgieger 2: Mogetissas Fluch«

 

10.10.2025





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